[case] Nordföhn 09-04-2011

Hier kommt alles rein was das Wetter betrifft!

Moderatoren: Herby, Christian P., DavidWinkler

Antworten
Benutzeravatar
Reto
IGVM
Beiträge: 91
Registriert: Fr Okt 10, 2008 12:24
Telefon: 06506782922
Skype: reto_ch
Gleitschirmmarke/Type: Sigma7
Gurtzeug: Paratech D2
Variometer: Hob i
GPS: Hob i ned
Wohnort: Mariahilfpark 2, 6020 Innsbruck
Kontaktdaten:

[case] Nordföhn 09-04-2011

Beitrag von Reto »

Nachdem wir es ja gerade vor einer Woche von Föhn hatten möchte ich hier (da ich mich nur langweile und auf meinen PC warten muss) den heutigen Tag noch kurz betrachten :). Wer schon auf der Terasse war zum rauchen - oder sonst nette Dinge draussen tut, auch wenn man nicht fliegen kann - der hat sicher gemerkt, dass es seit einiger Zeit recht windig ist.

Wenn man sich das Föhnpotential für den Süden der Alpen angeschaut hat, dann war dies auch nicht weiter verwunderlich. Gute 6hPa von Innsbruck in Richtung Süden.
foehn_qpot.png
Der Druckgradient kommt natürlich vorwiegen dadurch zustande, dass - bei sehr starker Anströmung - kalte Luftmassen an den Alpen-Nordrand geführt werden. Hier die 700hPa (gut 3000müM) Windvektoren. Hier übrigens auch der Grund, warum der WorldCup heute im Zillertal abgesagt wurde. Am Ka waren sind Windspitzen bis 60km/h gemessen worden.
gfs_700wind.gif
Dasselbe hier noch etwas hochaufgelösster aus dem WRF-Modell.
foehn_wrf12Z.png
Dazu gibt es noch die Karte der "äquivalentpotentiellen Temperatur": wichtig ist hier auch nur: kalte Farben sind kalte Luftmassen, warme Farben warme Luftmasse. Wie man sehen kann wird von Norden her kalte Luft zum Alpenhauptkamm geführt.
gfs_850aq.gif
Doch wie wir gelernt haben führt die Anströmung nicht alleine zu Föhn. Was wir benötigen ist kühlere Luft im Norden (oder Süden, je nach Fall natürlich). Hier nochmals die Grafik aus der Präsentation, allerdings gilt diese jetzt für einen Südföhnfall.
foehn_cases-01.png
foehn_cases-02.png
Im oberen Fall reicht die Höhe der kalten Luft noch nicht aus, um über die Einschnitte (Brenner) nach Norden einzuströmen. Wird die Luftmasse im Süden jedoch mächtiger (dicker) so kann die kalte Luft irgendwann durch die Einschnitte strömen und im Norden absinken.

Das sieht man heute sehr gut an den Messungen der Wetterbalone (Radiosonden). Ich habe dafür die Sonde München mit der Sonde Udino verglichen. Heute haben wir im Süden der Alpen Föhn, wir müssten also (entgegen dem Beispielbild oben) im Norden die kältere Luft finden.
sond_munud100.png
Und siehe da, Samstag 12UTC (14 Uhr Lokalzeit) sehen wir in den tiefen Niveaus im Norden sehr viel kältere Luft. Die "rechte" Linie zeigt jeweils die gemessene Temperatur, die "linke" die Feuchttemperatur (um so weiter von der Temperatur-Kurve entfernt, desto Tockener ist die Luft: ist aber gerade nicht so wichtig). Dieser Unterschied ist in der Höhe nicht mehr vorhanden, wichtig ist aber, dass die Kaltluft so hoch reicht, dass sie über die Alpen strömen kann.

Dies zeigt nochmals dieselben Sonden, jedoch nur den Ausschnitt bis 700hPa (3000müM). Die Luftmassen sind gute 10 Grad kühler im Norden als im Süden!
sond_munud700.png
Die Station am Sattelberg (westlich vom Brennerpass) zeigt wunderbar die Föhnströmung durch das Brennertal - 360 Grad Windirchtung, starke Windgeschwindigkeit, die Windrichtung durchwegs konstant gleichmässig.
foehn_sattelberg.gif
================================================

Weshalb ich diesen Text eigentlich schreibe ist die Tatsache, dass ich daran recht gut zeigen kann, was ich in der Präsentation erklären wollte :). Für diejenigen die nicht da waren: Bei Föhn müss nicht zwingend die Alpenseite Stromaufwärts (also dort wo der Wind herkommt, heute also der Norden) Bewölkt und verregnet sein!
Als Beweis zeige ich hier eine aktuelle Satellitenaufnahme:
foehn_sat.png
Keine Wolken im Norden, keine Föhnmauer, kein Föhnloch im Süden - bis auf ein paar Zirren und der Bewölkung im Nordosten ist eigentlich nichts zu sehen. Der Grund dafür sieht man wieder in den Radiosonden: die beiden Linien (Trocken- und Feuchttemperatur) liegen über die gesamte Höhe "weit" auseinander. Würden die beiden Linien (natürlich derselben Station) sich berühren, so hätten wir eine Luftfeuchtigkeit von 100% und somit eine Wolkenschicht.

Was jetzt noch wichtig ist für den heutigen Tag: die Kaltluft, die von Norden an den Alpenhauptkamm geführt wurde ist mit der Zeit noch kühler geworden.
sond_mun_0012.png
Auf den Sonden reicht die Luft noch nicht bis zum Gipfel des Karwendelgebirges, das scheint sich jedoch nach 12UTC noch weiter verstärkt zu haben. Was nämlich passiert ist: wir haben einen Nordföhn gekriegt.
foehn_cases-03.png
An den Messdaten kann man dies schön erkennen. Hier die Grafik der Messtation auf dem UNI-Dach, angezeichnet ist die Phase, bei welcher der Nordföhn in Innsbruck durchgebrochen ist.
foehn_imgi.png
Die Temperatur steigt zuerst ganz schön an mit der Einstrahlung erreicht dann aber eine Art "Scheitelpunk" und steigt nicht mehr weiter. Der Grund: die Föhnluft die über die Nordkette absinkt "verbläst" und durchmischt die Bodenschicht sehr stark - es kommt deshalb nicht mehr zu dem gewohnten Aufheizen durch die Sonne.
Die Luftfeuchtigkeit nimmt (nicht extrem ausgeprägt) aber doch unerwartet schlaghaft ab, da die absinkende Föhnluft eben durch das Absinken sehr stark auftrocknet (es war aber eben vorher schon sautrocken).
Am Wind kann man es am besten Erkenne. Anfangs hatten wir einen normalen Taleinwind (aus gut 80 Grad) und schlagartig wechselt die Windrichtung auf Nord (360 Grad). Gleichzeitig steigt die Windgeschwindigkeit an.

Um sich nochmals abzusichern, ob das wirklich Föhn sein kann: wenn es Föhn ist, dann müssen wir mit jenem Ort, von welchem die Luft kommt, trockenadiabatisch durchmischt sein. Trockenadiabatisch ist dieses komische Wort das meint, dass die Luft eben genau so geschichtet ist, dass pro 100m Höhenunterschied sich die Temperatur genau um 1 Grad Celsius ändert. Die absinkende Föhnluft enthält keinerlei Regen- oder Wolkentropfen und sinkt deshalb eben genau trockenadiabatisch ab.

Rechnet man sich das für die Höhe zwischen Innsbruck (650m) und dem Ka (2270m) - also für einen Höhenunterschied von 1620m - so müssten das bei 1 Grad pro 100m 16.2 Grad mehr in Innsbruck sein als am Ka.

Gemäss Messung hat das Ka gute 7 Grad - Innsbruck hat gemäss Messung gut 24 Grad (ich bin schon eine Zeit am Schreiben, die Grafik oben ist nicht ganz aktuell) und das pricht für einen Temperaturunterschied von 17 Grad und das mit dem Föhn passt wunderabr. Hätten wir weniger als 24 Grad (z.B. nur 20) so könnte die absinkende Luft nicht bis nach Innsbruck durchbrechen, da sie ja nach dem Absinken wärmer wäre als 20 Grad. Die wärmere Föhnluft könnte dann die kältere - und schwerere - Luft im Inntal nicht bis zum Boden hin durchbrechen.

Natürlich hinkt mein Vergleich ein bisschen. Wäre nämlich die Luft über Innsbruck geich geschichtet (gleich warm/kalt) wie diejenige über München, so würde auch kein Nordföhn in Innsbruck(!) entstehen können. Da die lieben Innsbrucker die Radisonde aber nicht um 00 und 12 steigen lassen - sondern um 3 - geht der Vergleich nicht so wirklich. Das müsst ihr mir einfach glauben :).

So, was habe ich sonst noch ....ich glaube nichts mehr :). Sollte etwas unklar sein so fragt doch bitte einfach nach, ich versuche dann die Antwort noch zu liefern :). Jetzt geht der Reto grillen!

Over and out ;)
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
"Alles Fliegen beruht auf der Erzeugung von Luftwiderstand, alle Flugarbeit besteht in der Überwindung von Luftwiderstand." - Otto Lilienthal
Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 0 Gäste